Mit der Sauerteigkultur in der häuslichen Backstube ist das so eine Sache.
Überall wird drauf geschworen. Es gäbe kein besseres Brot, als solches mit Roggensauer… wer ihn nicht hat, darf nicht mitspielen…
Dabei schwankt die Qualität dieser Kultur in den backenden Haushalten von excellent bis gemeingefährlich oder scheintot.
Die Inhaber der letztgenannten ignorieren den Zustand gern und professionell: Hefe? wieso-ja, hab ich bisschen drin.
Dazu passt der Kommentar Herberts, eines Kursteilnehmers: „Hefe ist was für Schwächlinge.“
Ein bisschen Ehrlichkeit zu sich selbst hilft manchmal. Die ist Anlass für diesen Artikel.
Ein Freund meinte, ihm sei der Aufwand für die Pflege der Sauerteigkultur zu hoch, backen mit Hefe bei langer, kühler Führung bringt auf einfachste Weise super Ergebnisse.
Inzwischen sind ihm die Varianten der Hefebrote doch zu ähnlich-ohne Sauer.
Deshalb die Frage: geht ein Roggen-Sauer ohne Sauerteig-Kultur und trotzdem ein ansprechendes Brot aus dem Ofen zu ziehen?
Im Vergleich werden 3 Teige zubereitet:
gleiche Parameter:
– 15% Biga aus T110
-10% Aromastück (Malzbrühstück)
-dunkles Roggenmehl (Alpenroggen)
-2,5%Salz
-TA 182
Unterschiede:
-Versäuerung a: klassisch mit meiner Arnd Erbl-Roggensauer-Kultur 20%, TT28°C
-Versäuerung b: klassisch mit meiner Arnd Erbl-Roggensauer-Kultur 40%, TT28°C
-Versäuerung c: mit 500ml Buttermilch und 50ml Apfelessig (dem guten) auf den gleichen pH (4,2) wie Brot a,
zusätzlich 20g Frischhefe als Triebmittel auf 1kg Mehl, TT 23°C
Es handelt sich jeweils um 1kg Mehl, also 900g Alpenroggen, 100g T110, dunkles frz.Weizenlandbrotmehl
Alle Prozentangaben sind auf die Mehlmenge im Hauptteig bezogen.
Schellis Urteil:
Gute, einfache Verarbeitung eines eher festen Teiges-freigeschobenes Brot ist mit den oben beschriebenen Parametern möglich.
Das für mich mit Abstand beste Brot ist das mit 40% versäuerte. Es hat ein ausgeglichen kräftiges Roggenaroma mit einer nicht aufdringlichen,harmonischen Säurenote. Die schon häufiger beschriebenen Waldhonigaromen finden sich, ein erdiger Duft folgt. Die malzige Note des Aromastückes fällt angenehm auf.
Die Porung ist sauerteigtypisch etwas unruhig. Für mich ein highend-Brot.
Das mit 20% Erblsauer versäuerte Brot ist nicht so ausdrucksstark, deutlich milder, auch feinporiger. Mir fehlt etwas (Milch)säure.
Das malzige findet sich wieder, die Waldhonigaromen vermisse ich. Die von mir erwartete Nachsäuerung durch die deutlich längere Gare hat sich nur in geringem Ausmaß bestätigt.
Das mit der Buttermilch, dem Apfelessig versäuerte Brot ist ähnlich mild wie das mit 20% Erblkultur, allerdings im direkten Vergleich weniger komplex, etwas flacher in den Aromen, dumpfer. Trotz gleicher pH-Wert-Einstellung (Testo 206) auf pH4,2 wie das 40% ist das Buttermilchbrot wesentlich milder als jenes. Hellere Krume durch die Buttermilch.
Eine ernsthafte, sauerteiglose Alternative zu Brot b habe ich also noch nicht gefunden.