Milde Sauerteige
Wird der eigenen Sauerteigkultur wenig Achtsamkeit entgegengebracht, entgleist nicht nur die Triebfähigkeit, sondern auch der Geschmack. Dunkle, kräftige Roggensauerteige sind noch recht gutmütig und verzeihen viele Fehler.
Weizensauerteige dagegen sind anstrengend. Von ihnen wird erwartet, dass sie neben einem starken Trieb ein mildes Aroma entwickeln. Dieser Eigenschaften muss man ihnen antrainieren , sie quasi vorbereiten auf das Backen wie den Radsportler auf die Tour de France.
Mit Vernachlässigung des Trainings beginnen sich auch wieder die gewünschten Eigenschaften zu verlieren. Das macht den Weizensauer für die Leser, die nicht mit ihrer Kultur ins Bett gehen, zu einem lästigen Zeitgenossen.
Für die Säureentwicklung im Brot gibt es zwei ganz unterschiedliche Baustellen, von denen fast immer nur eine diskutiert wird. Die wichtigere fällt unter den Tisch.
Beginnen wir mit dem bekannten: Der Zubereitung des Brotteiges. die Säureentwicklung ist abhängig von
-der Temperatur des Teiges.
-der Häufigkeit des Fütterns
-der Menge des Anstellgutes,
-dem Ausmahlgrad der verwendeten Mehle,
-der Länge der Abstehzeit
Mit Beachtung dieser 5 Punkte kann man im Zweifel zwar noch die Schlacht gewinnen niemals aber den Krieg.
Für ein außergewöhnlich gutes Brot ist die Qualität des Anstellgutes, also der eigenen Sauerteigkultur maßgeblich.
Habe ich beispielsweise eine milde, aktive und aromastarke Roggensauerteigkultur im Kühlschrank stehen, kann ich auch größte Anteile des Mehls versäuern oder den Teigling über Nacht bei 14°C führen, ohne dass das Brot zu sauer würde. Echte Panettone verlangt sogar nach ewig langen Reifezeiten.
Rettung naht.
Einem Freund und Kollegen ist es gelungen, einen natürlichen Spontansauer herzustellen, der in der Lage ist, in der Königsdisziplin Panettone zu bestehen. Und zwar nicht nur irgendwie durchkommen sondern mit einem excellenten Ergebnis. Das macht diesen milden, getrockneten Sauerteig mit lebenden Hefen, Mikroorganismen zu einem Universalwerkzeug für Freunde milder Sauerteige. Dieser Spontansauer war in den letzten Wochen mein Lieblingsspielzeug.
Ein Ergebnis möchte ich heute vorstellen:
Nennen wir es „Pain naturel“ weiles in seiner ursprünglichen Minimalzusammensetzung: Mehl, Wasser Salz, sonst nix so genial einfach und gut ist, dass es mein Herz erfreut.
Es ist ein Brot, das viele meiner sehr kritischen Tester für eins der besten bislang halten.
Rezept Pain naturel
Mischbrot
Sauerteig 1
8g Madre di Lugano, sollte Ende Mai verfügbar sein
100g Wasser, 35°C
200g Hartweizen
mischen
TT30°C
15h bei 30°C abgedeckt reifen lassen.(wichtig! alles!)
Sauerteig 2
20g Roggenvollkorn-ASG, aktiv
100g Wasser
100g Roggenmehl R960
TT 30°C
4 bis 6h reifen lassen (30°C)
Malzbrühstück:
4g aktives, flüssiges Gerstenmalz
100g Roggen R960
200g Wasser
Mischen, 3h bei 65°C vermälzen
Hauptteig:
Vorteige+ Malzbrühstück
300g Alpenroggen
300g Hartweizen
340 bis 380g Wasser, je nach Tagesform des Bäckers. Teig zieht durch den Alpenroggen und den Hartweizendunst mit der Zeit noch etwas an.
22g Salz
Mischen, 45min Kesselgare
TT 28°C
Locker aufarbeiten, mit Schluß nach unten in 1 bis 2 Gärkörbchen.
1,5 bis 2h zur Gare.
Bei 250°C anbacken, bei 220°C dunkel ausbacken, auf kräftige Krustenbildung achten.
Schellis Urteil:
Der verwendete Hartweizen muß die Legende aus Altamura sein-Aromen von Zimt und reinem, weissem Kleeblütenhonig. Mir bislang völlig unbekannt. Darüber wird noch ofter zu berichten sein. Halb-offenporig, angeschoben gebacken. Die Säuren aus den Sauerteigen treten fast völlig in den Hintergrund, helfen beim Aufbau der wunderbar röschen Kruste. Malzig-duftig. Ein relativ helles Mischbrot, das mit seinem Aroma auch 72h nach dem Backen jeden Kenner überzeugt.