Der Dinkelhammer- Sodbrennen

Der deutsche Dinkelpapst Horst Deffland gab sich in Weinheim (Akademie des dt. Bäckerhandwerks) die Ehre. Julia im Schlepptau. Mit seiner Hilfe -quasi als Therapeut- sollten meine Vorbehalte zum Dinkel abgebaut werden-und möglicherweise das eine oder andere Rezept übrigbleiben. Tricks inklusive.

Fangen wir mit den Tricks an:

Hinlänglich bekannt ist, Dinkel kann genial schmecken, wenn er passend behandelt bzw. kombiniert wird.

Wenn nicht, reicht’s kaum zum Hundebrot-also ein C-Promi, kurz vor Brennmaterialstatus.

Karnickelfutter.

Wasserbindung für Frischhaltung, Vermeidung von Trockenbacken:

Als Goldstandard gilt das Kochstück:

Bis zu 5% des Gesamtdinkelmehls werden 1:4 mit Wasser zu einem Pudding gekocht.

Salzzugabe (2% vom Kochmehl) verhindert ein rasches Verderben:

Kühlschranklagerung bis 1 Woche möglich.

Wird ein größerer Anteil als die o.g. 5% dem Gesamtdinkelmehl geklaut und zu Pudding verkocht, besteht -je nach Dinkelqualität- die Gefahr, dass die große Menge des gebundenen Wassers vom Hauptteig nicht aufgenommen werden kann und die Brote werden zu dicht, zu feucht, neigen zur Wasserstreifenbildung oder sind nicht mehr schnittfest.

Quell-und Brühstücke: Je heisser das Brühwasser, desto grösser ist der Anteil der verkleisterten Mehlmenge, desto größer ist die Wasseraufnahme.

Trotzdem haben wegen des ganz eigenen Aromas auch Quellstücke ihre Berechtigung.

Also: Gute Möglichkeit der Wasserbindung durch beide Verfahren ohne die strukturbildenden Elemente des Mehls zu arg anzugreifen.

Ganze Dinkelkörner gekocht (1:3 mit Wasser, 2%ige Salzzugabe) bieten einen eigenen Charakter und eine großartige Frischhaltung in Vollkornbroten.

Weiterhin kann man sein Dinkelbrot kombiniert mit Kochstück und Pflanzenfasern auf TA-Werte von über 200 pimpen und trotzdem händelbar halten.

Erste Wahl nach H. Deffland sind Psylliumsamen (Samen des Spitzwegerichs), sie haben ein ausserordendlich hohes Wasseraufnahmevermögen, schmecken neutral und es ist mit positiven Effekten auf die Verdauung zu rechnen.

Als natürliche Nahrungsfasern gelten sie als Lebensmittel und nicht als Zusatzstoff.

Zusatz von Fetten:

1 bis 2% machen den Teig wolliger, etwas voluminöser, am besten feste, ungehärtete Fette (Palmfett) verwenden.

Kneten:

Grundregel: schonend kneten.

Man spricht von Quellkneten: 10 bis 20min langsam, 1 bis max 3min schnell.

Das Verhalten der Dinkelteige kann sich im Laufe des Jahres und sowieso von Rezept zu Rezept ändern: Fenstertest hilft! Oder: der ausgeknetete Dinkelteig läßt sich vom Kesselrand ziehen und hat eine etwas hellere, glatte Oberfläche, Blasen sind sichtbar.

Überkneteter Dinkelteig: in die Kühle, lagern, ab und zu aufziehen (dehnen und falten) So wird der Teig nach und nach wieder stabiler.

In aller Kürze:

-Dinkel ist hochverträglich und durch den dicken Spelz schadstoffarm (wer auf /zuviel/ Weizenbrot mit Sodbrennen reagiert, versuche Dinkelbrot! Deffland sagt, für ausserordentlich viele Kunden ist das der Grund, zu Dinkel zu wechseln)

-eine der o.g. Maßnahmen, das Trockenbacken des Dinkels zu vermeiden, reicht oft nicht aus. Sinnvolle Kombination: Kochstück/Sauerteig oder Quellstück/Kochstück oder Psyllium/Quellstück u.s.w.

-es stehen wenige, unterschiedliche Dinkelsorten zur Verfügung, die am schwierigsten zu verarbeitenden (Oberkulmer Rotkorn) schmecken am besten.

Aus der Auswahl an Dinkelrezepten des Lehrganges stach mir eines heraus:

Rezept Vollkorn-Dinkelflockenbrot:

Flockenhefequellstück:

1000g Dinkelflocken fein
20g Salz
10g Hefe
900g Wasser 25°C

Hefe im Wasser lösen, alles miteinander mischen, 1h bei 20°C, 12h bei 10°C stehen lassen

Dinkelkochstück:

160g Dinkelgries
640g kaltes Wasser
8g Salz

Wie einen Pudding kochen, mit einer Frischhaltefolie auf der Puddingoberfläche vermeidet man Hautbildung.

knapp 2000g Flockenhefequellstück

1500g Kochstück
980g Dinkelvollkornmehl
30g Salz
700g Wasser (Schelli: 760g, zuviel!)
20g Hefe

zusammen ca. 12min langsam verkneten, 1 Minute im 2.Gang

Teigtemperatur: 24°C, Kesselgare: 1h.

so…nu kommst Du:

Teiglinge aufarbeiten: mir blieb die Suppenkelle, um den Brei in Formen zu füllen. Mit einer TA von weit über 200 hab ich mir ein weiteres Mal eine blutige Nase geholt.

Bei 240°C anbacken, bei 220°C ausbacken. Bei 850g Teigeinwaage knapp eine Stunde.

Schellis Urteil:

Heute: Lasst mich alle in Ruhe!

So ein klitsch!

Alles andere wunderbar: nicht gekannte marzipanartige Aromen strömen während des Backens aus dem Ofen.

Die Kruste hat ein Knusper und ein Aromenspiel, das ich sonst nur von meinen geliebten französischen Mehlen kenne.

Meine Hoffnung liegt also im Morgen: Die jetzt innen noch nassen und nicht schnittfähigen Brote haben dann bitte Struktur.

Folgetag: die Laune bessert sich nicht. Das Brot hat eine grauenhafte Struktur, im Mundgefühl eher ein Pudding. Frischhaltung bis zum Fäulnisübergang. Also ein niemals-trocken-Brot. Herzlichen Glückwunsch.

Unverkäuflich, nicht anbietbar. Der Hund nimmt’s gern und reichlich.

Lieber übrigens als sein nicht eben billiges Hundefutter.

Mit dem Abfüllen der Suppe per Kelle in die Formen hab‘ ich noch einen weiteren Versuch angesetzt:

60g Schüttwasser weggelassen (TA: 1,5 Punkte weniger)

300g des Schüttwassers aus obigem Rezept mit 30g Psylliumsamen über 10h verquollen und dem Rezept zugeführt.

Ergebnis:

ein weicher, aber mit der Hand bearbeitbarer, formbarer Teig.

Jedoch: als Brot (was ich gehofft hab‘ aus dem Ofen zu ziehen) immernoch grenzwertig feucht.

Aber die Psyllium-Wirkung ist genial!

Soviel zum ersten Eindruck.

Aromen:

Wer gut ausgebackene Dinkelkrusten kennt, liebt sie. In ihrer Aromenfülle nur vergleichbar mit denen guter frz. Baguettemehle.

Auch hier, selbst im übernassen Brot: wundervolle, lieblich-rösche, komplexe Krustenaromen.

Die Hefemenge ist in der Krume spürbar, für mich noch nicht unangenehm, Korrektur für die nächsten Varianten: Halbierung.

Es trifft Dich der volle Dinkelgeschmack im besten Sinne: unaufdringlich, hintergründig nussig, in der Nase und auf der Zunge harmonisch.

Die Bilderserie zeigt auch einen Vergleich der beiden Varianten im Anschnitt: 3. Bild, links die Klitschvariante.

Wer es nachbacken möchte, taste sich mit dem Schüttwasser bei zunächst 2/3 der Gesamtmenge an sein Optimum heran.

Für mich ist es ein sensationelles, aromatisches und hochverträgliches Brot, das bisher gekannte Dinkelgrenzen sprengt.

Ganz unten findet ihr ein Aromabrotversuch:

T110-Biga (20%) im Standardbaguetterezept mit T65Bio.

Sehr schönes Alltagsbrot, hier im Gußtopf gebacken.

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