Eigentlich möchte ich erstmal ein bisschen weinen…
Wer weiß, was das Bäckerdasein fü’n fu**in‘ hard Job ist?
Für eine Woche hab‘ ich meinen Verstand an den Mülleimer abgeben dürfen. Schätze, nachhaltig.
Morgens um halbvier aufstehn, durchmachen bis halbdrei nachmittags, mit etwas Glück hat Cecile Dienst, die sich um 9.00 erbarmt, der verzweifelnden Seele einen Kaffee vorbeizubringen…
Die Jungs arbeiten ohne Pause bis Dienstschluß. Praktikant Schelli, dem körperliche Arbeit seit Jahrhunderten fremd, konnte -durfte- nicht nachstehen.
Verflixte Franzmänner-
Deutsche Disziplin!
Ich werd‘ euch was…geheult hab‘ ich dann gegen halbvier nachmittags im Auto vor Schmerzen. Quentin und Hubert, zwei Brüder mit unterschiedlicher Veranlagung waren meine Gegner und Ausbilder. Der eine optimiert Arbeitsabläufe und sichert die Qualität, der andere feilt (auf hohem Niveau) an seiner Handarbeit bei der Teigbehandlung. Den beiden bei Arbeitsschritten, die zum gleichen Ziel führen sollen, zuzusehen war sehr lehrreich.
Jetz‘ bissken Butter bei und gejaule off:
Aus verletzter Eitelkeit hab‘ ich Frankreich lange ignoriert. Zur Gänze.
Zu meinem Schaden.
Es gibt eine Brotkultur, die m.E. folgende Vorbildfunktion erfüllt:
Müller und Bäcker haben in eine Abhängigkeit voneinander gefunden, die dem Produkt Brot (Croissant, etc…) dient.
Zur Abgrenzung: In Deutschland gibt es eine sehr starke Backmitteindustrie, die ihre Produkte sowohl bei einem ganz überwiegenden Teil der Bäcker als auch in der Bäckerindustrie (industrielle Brot/Brötchen/Stollen/Plätzchen….produktion) platziert hat. Ergebnis: Der Geschmack (man denke an das spitze Korndreieck) ist von Nord bis Süd, Ost und West gleich, der Bäcker kann naturgemäß nicht so arbeitsoptimiert (also günstig) wie die Industrie -und muß dieses Spiel verlieren. Er hat -in einem faustischen Pakt- seine Kernkompetenz aus den Händen gegeben.
Der Franzbäcker dagegen nicht. Dort spielt die Backmittelindustrie fast keine Rolle. Der (durchschnittlich eher kleine, bodenständige) Müller hilft dem Bäcker aus Eigennutz mit hochentwickeltem eigenem Fachwissen: Die Ernten der Bauern aus den verschiedenen Arealen sind in ihren !Terroir!-Eigenschaften (also den geographisch sehr begrenzten, geschmacklichen und backphysikalischen Merkmalen, von Jahr zu Jahr durch Klimaeinfluß verschieden) bekannt und werden für einheitliche Ergebnisse von Jahr zu Jahr unterschiedlich gemischt. Heraus kommt ein Mehl, das den backtechnischen Erwartungen des Bäckers (Croissant vs. Baguette beispielsweise) gewachsen ist und darüber hinaus (fast) ohne Backmittelchemie auskommt. Gemeinsamer Feind ist beispielsweise das alles nivellierende Backmalz, das neben der gewünschten grossen Porung überall die gleiche Geschmacksnote einbringt. Es geht mit etwas knowhow und dem richtigen Mehl auch ohne. Der anspruchsvolle Müller ist in der Lage, zusammen mit excellent ausgebildeten Bäckern geniale, geschmacksoptimierte Produkte zu entwickeln, die dann dem Bäcker im Alltag zur Verfügung gestellt werden.
Sehr wenige deutsche (hier mein Kompliment an den anerkannt besten österreichischen Dietmar, dem es ein Sekundenspiel war, eine in diesem Bereich gestellte Aufgabe zu lösen) Bäcker sind Willens & in der Lage, einen Weg unabhängig von der Backmittelindustie zu finden.
Eine Parallelentwicklung dieser Kultur hoffe ich jetzt in Oberfranken gefunden zu haben. Dort könnte sich mein bisheriges Urteil -der deutsche Müller nutzt irgendein Korn, aus Kasachstan, Bulgarien oder um die Ecke, um es dann mit Hilfe der Backmittelindustrie auf Kurs zu bringen- revidieren. Mehr dazu im Juni an dieser Stelle.
Bis dahin jedoch stehen mir die französischen Müller mit ihren Vorstellungen am nächsten.
Deshalb bin ich glücklich, wenn sich im August während eines weiteren, nicht geplanten Ausbildungsschrittes in einer der besten französischen Mühlen ausgezeichnete Trainer an mir abarbeiten.
Bis dahin sollten meine Französischkenntnisse auf ungefähr 54 Vokabeln angeschwollen sein…
Heute ein erster -mißglückter- Versuch eines faszinierenden frz. Brotes, das ich gern irgendwann auf dem Niveau sähe, das mir in der letzten Woche so häufig begegnet ist.
Rezept „Tourte de Meule“
Das Mehl ist bei uns in seiner Körnung dem doppelgriffigen Mehl oder Dunst am nächsten. Also deutlich gröber -und auf Stein- gemahlen.
Im Gehalt der Spurenelemente würde ich es am ehesten meinem Liebling, dem 812er zuordnen. Es ist allerdings eher grau.
Das Brot entsteht klassisches aus einer Weizensauerteig-Führung.
Zutaten:
500g flüssiger, aktiver Weizensauerteig
770g Wasser (150g zurückbehalten und evtl. am Ende des Knetvorganges hinzufügen)
1000g T80-Mehl
25g graues Meersalz
Zubereitung:
alle Zutaten 15 min langsam verkneten
150 bis 180 min bei Zimmertemperatur gehen lassen
in der ersten Stunde 2x Dehnen und Falten
Ein oder 2 runde Laibe formen und im Gärkörbchen für 90 bis 150min bei Zimmertemperatur stehen lassen.
Bei 260°C einschiessen, nach 15 min Temperatur auf 220°C für 35 bis 45min ausbacken.
frei übersetzt aus „Moulins Bourgeois, Livret de recettes“
Urteil:
fälschlicherweise hab‘ ich das Rezept nicht befolgt und gleich die volle Menge Wasser zugefügt. Zuviel des Guten.
Das Brot ist hoffnungslos breitgelaufen.
Keine Einschnitte in diesen Brei möglich: Verzicht auf aufgerissene Kanten.
Alles andere ist ok.
Porung schön, Aroma gut, feine, hintergründige Säure. Knusprige Kruste.
Gute Frischhaltung sollte sich dann morgen bestätigen.
An einer schöneren Brot-Optik wird aktuell trainiert.