München: IBA 2015.
Neben vielen wachsenden Marketinggeschwüren ist die IBA professioneller geworden.
Das macht sie für den, der den morbiden Charme, das Persönliche sucht, weniger interessant.
Dennoch hat sich eine Begegnung eingebrannt:
Ein Studienrat der IGV Potsdam, einer Bäckerei-Technologie-Schule stellte mir verschiedene Arbeiten aus seiner “Akademie” vor. Als er dann mitbekam, dass ich Brotbackkurse für Endverbraucher, die mit der vom Bäcker zur Verfügung gestellten Qualität nicht mehr einverstanden sind, gebe, wurde er sehr schmallippig.
“Unser Brot ist nicht giftig” war seine erste Erwiderung. Und genau darauf ritt er die nächsten drei Minuten herum.
Das Gespräch hier wiederzugeben, langweilte.
Vielmehr finde ich interessant, dass dieser Studienrat nicht aus seinem Gedankengefängnis herauskommt.
Wenn es tatsächlich das wichtigste Kriterium des Brotes deutscher Handwerksbäcker !und deren Ausbilder! ist, nicht giftig zu sein, dann gute Nacht Marie. Diese Techniker wissen im Grunde so viel über die Herstellung von Brot und lassen Dinge, die sie nicht messen können, einfach nicht in ihr Leben. Guten Geschmack zum Beispiel.
Rettung naht: Sein Adlatus gab mir versteckt seine Visitenkarte, um mit mir in Kontakt zu bleiben…
Folgend ein Dokument, welche unterschiedlichen Ergebnisse man mit einfachsten Mitteln bei (fast) gleicher Rezeptur erlangt.
Im Alpen-Grillbrot-Rezept wird hier für einen direkten Vergleich das Hauptmehl (Tipo0 violett) getauscht gegen das französische Label Rouge T65 Mehl.
Das Label Rouge-Brot wurde mit deutlich geringerer TA (weniger Wasser) zubereitet.
Rezept (in großen Teilen kopiert) Alpen- Grillbrot-Alternative
Biga (fester Vorteig)
150g frz. T110
75g Wasser, 20°C
1g Frischhefe (im Wasser gelöst)
grob verkneten, 2h bei Raumtemperatur anspringen, 12 bis 48h bei 5°C reifen lassen
Hauptteig:
1.Autolyse:
1000g T65 Label Rouge-Baguettemehl
700g Wasser, kalt
3min ankneten, 1h (30min bis 3h) stehen lassen
225g Biga (Vorteig)
28g Salz
6g Frischhefe
gut auskneten, Teigruhe bis das Volumen ungefähr 50% zugenommen hat.
Dehnen, falten- in eine geölte Teigwanne mit Deckel legen.
12 bis 30h bei 5°C reifen lassen.
Teigballen vorsichtig mit etwas Unterstützung einer Kunststoffspachtel auf die bemehlte Arbeitsfläche kippen. Evtl. abgedeckt mit einer Folie 1 bis 2h ruhen lassen, Teigballen abstechen, mit etwas Spannung und wenigen Handgriffen zum Brotlaib aufarbeiten. Je nach Reife evtl noch 1h bis 2h im Gärkorb entwickeln lassen. Bei zeitnahem Einschiessen ist mit feinerer Porung und größerem Ausbund zu rechnen.
In den 250°C heissen Ofen einschiessen, schwaden. Auch als Topfbrot hervorragend geeignet.
Temperatur nach 15 min auf 225°C reduzieren, dunkel ausbacken. Beim Topfbrot nach ? der Backzeit Deckel entfernen für eine rösche Kruste.
Schellis Urteil:
Zweigeteilt.
Die Porungsfetischisten und Liebhaber feuchter Krume ohne Umwege sind mit dem Originalrezept (Alpen-Grillbrot) bestens bedient. Wem diese Kombination von Broteigenschaften weit vorn steht, der braucht Tipo0 violett als Hauptmehl. Ich kenne keine Alternative.Tolles Mundgefühl, geniale Frischhaltung. Die Brotscheibe fasst sich feucht an, dennoch läßt sich der Teigling einfach handhaben.
Der feine, der verwöhnte Gaumen schmeckt im direkten Vergleich jedoch, dass das Label Ro
uge-Brot das adeligere ist. Es hat komplexere Aromen in Krume und Kruste, wirkt blumiger. Bei gleichem Rezept und paralleler Verarbeitung! Gleiche Temperaturen, gleiche Zeiten, gleiche Hefe…für meine Feinschmeckerrunden gehört dieses Brot auf den Tisch, zum Grillabend punktet man wahrscheinlich eher mit dem Original.
Und das T65 verträgt durchaus noch knapp 5 Punkte mehr Wasser (dann TA175) im Teig, um zur TA 180-Konsistenz des Tipo0-Brotes zu gelangen. Damit wäre die Krume im Ergebnis feuchter. Die Porung hat unter dem Zeit-Regime gelitten: Gleiche Gehzeiten wie ein deutlich feuchterer Teigling heisst wg. verzögerter Gärprozesse durch Wassermangel feinere Krume, geringeres Volumen. Das ist der Preis bei Vergleichen: einen, höchstens 2 Parameter verändern-sonst landet die Auswertung bei den Auguren.