Lasst mich eine Karl-Heinz-Geschichte aus dem Dorfleben voranstellen. Abends um 6 ein kurzer Abstecher ins Nachbardorf. Der Schlägle-gezeichnete (schwäb. Synonym f. kleiner Schlaganfall) Nachbar Willi hatte im Rahmen eines Lustspiels morgens ein paar seiner verwöhnten Enten gekillt und war der Meinung, dass ich die vor einem halben Jahr bestellten Viecher dann auch gleich abholen könnte. Als sich das Massaker abspielte, saß ich ich noch in Hamburg, rund 400km nördlich, vertieft im Gespräch. Dennoch -anders als in der Medizintechnik üblich- möchte ich meinen Lieferanten mit Respekt begegnen. Karl-Heinz, Geld und Thermoboxen eingepackt und los. Nebenbei noch eine Rinder-Totgeburt als Hundefutter (Arbeit für Karl-Heinz: decapitieren, abziehen, ausnehmen) ins Auto geworfen (was bin ich froh, ein Firmenfahrzeug zu führen…) Zurück im Heimatdorf, das Kalb ausgeladen -Helga im Fenster (übliche Positionierung). Beim Austausch von Belanglosigkeiten war aus dem Innenhof Katzengeschrei zu vernehmen. Eigentlich ein übliches Dorfgeräusch. Karl-Heinz sann kurz nach, dann zur Herzensdame im Fenster:
„Gemma hinter-Bobby fickt gerade den Kater.“
Ein wunderschönes Schauspiel folgte: Helga mit Gebrüll…lasst Eurer Fantasie freien Lauf. Für mein Empfinden geschah nix Böses: Bobby ist der ungeliebte Haushund des Nachbarn, eine Promenadenmischung mit Beatles-Frisur-der sieht nicht, was er vor sich hat. So berichtete Karl-Heinz auch recht nüchtern: „Der Hund -das Schwein- nimmt ihn sich regelmäßig vor. Zuerst schmusen sie, und dann überkommt es ihn…“
Nein, es gibt keine Photos.
Jetzt aber zum Brot:
Ich liebe gutes, deutsches Roggensauerteig-Mischbrot. Es spielt m.E. in einer unerreichten Aromenklasse.
Schellis Hausbrot Roggen mit geröstetem Altbrot: maximaler Geschmackseintrag-einem Eintopf ähnlich.
Vorüberlegungen:
1. je höher der Roggenanteil, desto geringer ist die wahrgenommene Säure: Pufferfunktion des Roggen
2. je höher der Schalenanteil (geringer der Ausmahlgrad-gröberes Mehl), desto geringer ist die wahrgenommene Säure: Pufferfunktion der Schalenanteile/Balaststoffe (funktioniert auch beim Weizen)
3. Vorquellung der Röstaromen: in Roggensauerteigbrote dürfen Bäcker bis zu 20% Altbrot einbringen, real sind durchaus auch 25%. Das ist dem Geschmack zuträglich. Das Altbrot kann bei der Trocknung geröstet (getoastet) werden, dadurch bekommt das Brot ein anderes, volleres Aroma. Diese Methode sollte man nicht überstrapazieren: Ubiquitär angewandt, schmeckt bald jedes Gebäck gleich-ähnlich der inflationären Verwendung von Backmalz. Dennoch: im kräftigen Sauerteigbrot halte ich es für eine geschmackliche Bereicherung. Die Vorquellung (Gemisch von Wasser mit Altbrot oder Mehl) dient dem Feuchtigkeitseintrag ins Brot: leichtere Teigbearbeitung, bessere Frischhaltung.
4.Das Salz im Sauer: Der Roggensauerteig wächst deutlich langsamer und entwickelt andere Aromen als ohne Salzzugabe. Der Teigling wird gutmütiger (durch die insgesamt verzögerte Entwicklung ist der Einschußzeitpunkt bereiter, leichter zu treffen) und besser formbar.
5. durch die Vorteigquellung erreicht man einen hohen Wassereintrag ins Brot: es hat eine wunderbar feuchte Krume, ohne klitschig zu werden.
Um den Bäcker von belastenden Rechenkünsten zu befreien, sollte die Salzkonzentration im Sauerteig der im Gesamtteig entsprechen. Solche Schritte sind nicht zu unterschätzen:
Seit meinen Frankreichexkursionen backe ich meine Brote dunkler.
Rezept
Monheimer Salzsauer mit Ergänzungen
(Geröstetes Altbrot im 2. Vorteig, Roggenbrot 70/30 (70% Roggen, 30% Weizen)
Monheimer Salzsauer (Roggenmischbrot)
Salzsauerteig:
250g Roggenmehl 1150
250g Wasser
50g Anstellgut
6g Salz
Anstellgut im Wasser lösen und mit den restlichen Zutaten homogen vermengen, bei 30°C über ca. 18h abgedeckt reifen lassen.
Weizenmischvorteig
(mit geröstetem Altbrot):
150g Roggenmischbrotbrösel bei 150°C ca. 20min rösten, abkühlen
150g Weizenmehl150
1g Hefe
300g Wasser, handwarm
Hefe im Wasser auflösen, mit den anderen Zutaten vermischen, anspringen lassen, für 12 bis 18h bei 5°C abgedeckt stehen lassen.
Teigherstellung
190g Wasser
10g Hefe
600g Weizenmischvorteig
550g Roggensauer
450g Roggenmehl 1150
15g Salz
ergibt ~1800g Teig
Aufarbeitung: alles 8 Minuten langsam im Spiralkneter kneten. Teigtemperatur 27°c, Teigruhe 15 Minuten. Halbieren, Teigstücke rund und lang wirken, im Wunschmehl wälzen und mit dem Schluss nach unten in ausgestaubte Brotkörbchen legen. 45 Minuten Gare, dann 45 Minuten bei 250°C Anfangstemperatur backen.
Beim Einschiessen schwaden.
Alternativ in der Form backen. Dann kann der Teig noch deutlich feuchter geführt werden.
Die Krustenqualität kann gesteigert werden, indem das fast fertige Brot aus der Form genommen und mit Bäckerglanz ((Wasser-Stärke-Mischung) abgestrichen wird.
Damit nochmal in die heisse Umluft für 12min.
Schellis Urteil:
Kräftiges, aromatisches, mildsäuerliches Roggensauer-Brot.
Durch die Röst-Vorteiggeschichten etwas aufwändiger in der Herstellung.
Die augenblicklichen, dem Sonnenwetter geschuldeten, hohen Backstubentemperaturen tragen zur Milde des Brotes bei.