Mein nächstes Training für traditionelle frz. Backkunst in Rouen steht vor der Tür.
Neuigkeiten von der Baguettefront deshalb in etwa 14 Tagen…
Im Netz sammelt sich neben wenigen hochwertigen Informationen viel Müll zum Thema Sauerteig an.
Und kaum jemand kann Wichtiges von Unwichtigem, Richtiges von Falschem unterscheiden.
Das hindert allerdings die Wenigsten, breitbrüstig über die eigenen Wahrheiten zu berichten.
Meine ersten, wenig erfolgreichen Backversuche mit Lievito Madre, einem italienischen Abkömmling aus der großen Sauerteigfamilie waren Ansporn, mich gründlicher mit dem recht komplexen Thema auseinanderzusetzen. Hilfreich zur Seite steht mir dabei folgendes Buch:
Handbuch Sauerteig, 400 S. 2005, Behr Verlag
M.J. Brandt, M.G. Gänzle
Im Inhalt findet sich eine Sammlung und Zusammenfassung wissenschaftlicher Arbeiten praktisch von den Anfängen bis heute zum Thema.
Letzte Überarbeitung fand 2006 statt.
Das sollte reichen, um seriöse Informationen für mehrere hochwertige Posts auf dieser Seite und unsere Brotbackkurse zu liefern.
Das heutige ein Weizensauerteigbrot mit 2 Sauerteigen, Idee: Hamelmann, das ich kürzlich bei Freunden als Topfbrot mit einer wunderschönen Krume kennengelernt habe, dient als erste Diskussionsgrundlage:
Wozu 2 verschiedene Sauerteige in einem Brot?
Geht’s nicht einfacher?
Warum Roggen-ST in einem Weizenbrot?
Die erste wichtige Erkenntnis aus dem Buch:
Wenn ich mir einen ST-Starter aus einer anderen Ecke der Welt besorge und ihn hier unter meinen Bedingungen führe, wird nach wenigen Generationen ein Sauerteig mit altbekannten Eigenschaften draus.
Erklärung:
Geliefert wurde ein Mikroorganismen-Pool mit verschiedenen Hefen, Bakterien, die auf die Heimatumgebung angepasst waren, diese finden neue Bedingungen vor und kommen damit unterschiedlich gut zurecht.
Beispiel: Hefepilz A liebte in seiner Heimat eine Temperatur von 30°C und ein gutes Wasserangebot (TA 200). Wasser und Mehl wurden jeden Tag erneuert.
Bei mir angekommen, wird er mit anderem Mehl gefüttert, nach 2h Zimmertemperatur für eine Woche in den Kühlschrank gestellt (4°C).
Dannach Fütterung.
Das mag er gar nicht und reagiert mit Vermehrungsstopp.
Ein anderer Keim wird zur Leitkultur.
Der Charakter dieses melting-pots verändert sich zügig.
Zurück zum Brot:
2 unterschiedliche Sauerteige bringen in erster Linie verschiedene Geschmackskomponenten mit. Also geht das Brot Richtung Eintopf.
Das kann insbesondere bei der Idee dieses Rezeptes gefährlich für’s Gelingen werden, weil Weizenbrote, zumal hellere geschmacklich abbrechen, wenn sie zuviel Säure bekommen.
Die Frischhaltung hingegen wird gefördert.
Wenn man weiss, welchen Geschmacksanteil der Roggensauer mitbringt (oder, wie in diesem Fall, auf Bewährtes zurückgreift), ist es einen Versuch wert.
Zum Rezept nach Hamelman, verändert.
Roggenvollkornsauer:
80 gr. Roggenvollkornmehl
60 gr. Wasser
10 gr. Roggen-Anstellgut
Homogen verrühren und 12h bei ca. 20°C reifen lassen.
Weizensauerteig
80 gr. Weizenmehl 812
100gr. Wasser
20 gr. Weizen-Anstellgut
Homogen verrühren und 12 Std. bei ca. 20°C reifen lassen.
Hauptteig
520 g Wasser, handwarm
beide Sauerteige darin auflösen
760 gr. Weizenmehl 812er
80 gr. Weizenvollkornmehl
Alle Zutaten kurz homogen verkneten (Spiralkneter langsam, 3min)
100 Minuten Teigruhe,
25 g Salz
dazu und 6 Minuten mit dem Spiralkneter langsam verkneten.
Teigruhe: 100 Minuten
in dieser Zeit 2x dehnen und falten
2 Laibe formen und für 2h bei 25°C in bemehlte Garkörbchen zur Gare geben.
Evtl. einschneiden (Schelli:rustikal, kein Einschneiden heute) und bei 250°C für 40 – 45 Minuten im Gusstopf mit Deckel backen.
Schellis Urteil:
Lieblingsbrot-Kandidat.
Porung, Aroma, Kruste und Frischhaltung sind bemerkenswert.
Für Hinschmecker ist die säuerliche Note deutlich wahrnehmbar, für mich eine bereichernde Geschmackskomponente.
Rezept und Bilder möchte ich auch als Antwort auf verschiedene Brot-Porn-Bilder eines gewissen D. aus L. verstanden wissen.