das Jahr ist ein schweres. Egbert, meine Seelenverwandtschaft und ein wunderbarer Mensch, ist gegangen. Dieser Arftikel sei ihm gewidmet. Weil dieses Thema eher das Selbstmitleid pflegt, enden wir hier damit.
Nörgelei über die schneckenartige Vorwärtsbewegung bei der Brotqualität:
Auch wenn der Wanderprediger Prof. M. Kleinert nicht müde wird, den Samen .”Brotaromen” auszulegen-es wächst nix draus.
Es kommt also nicht nur auf die Qualität der Saat an- der Boden sollte vorbereitet sein und man sollte nicht ständig versucht sein, in der Sahara zu sähen.
Ich habe den Eindruck, dass seine Botschaft, so einfach und logisch sie ist, (vorsicht: schwarz-weiß-Malerei, es gibt auch Gegenbeispiele) vom deutschen Bäcker nicht verstanden und noch viel weniger umgesetzt wird. Dabei ist das Thema nicht neu: eine (notwendige!) Kopie aus der Vinologie.
Gut, es gibt Aromen im Brot-darüber reden zu können, sie zu beschreiben ist der erste Schritt auf einem weiten Weg.
Wie kommt es zur Aromabildung, welche Faktoren beeinflussen sie? Welche Strukturen sind für das Mundgefühl verantwortlich? Welches Wechselspiel treiben Mundgefühl und Aroma? Ein ganzes Gedankengebäude wartet, aufgebaut zu werden, ein Lehrstuhl ließe sich einrichten. Und wenn mir niemand zuvorkommt, gründe ich eine Stiftung zu eben jenem Zweck.
Eine wichtige, wenn nicht die wichtigste-und nach meiner Einschätzung- völlig unterbewertete, unbekannte Säule des Brotgeschmacks/der Brotqualität ist die Sauerteigkultur. Mit ihr vermag ich dem Teig unterschiedliche Säurequalitäten aber auch florale oder erdige Noten, nussige sauerkrautartige oder Joghurtaromen einhauchen.
Das mit Hilfe der eigenen Sauerteigkultur und der restlichen Führungsparameter zu können, ohne von aussen Aromen zuzuführen, ist eine Kunst, die der Winzer beherrscht-ihm würde es (im Gegensatz zum Bäcker) auch im Traum nicht einfallen, die Gärtemperaturen etwas höher oder niedriger zu schrauben, damit der Wein eher oder später fertig wird, er ist allein dem Geschmack verantwortlich.
Genug gepredigt vor Weihnachten, es folgt das erste Rezept, für das schelli seinen Tag-Nacht-Rhythmus verlassen musste-wer mich kennt, weiß, welche Schmerzen ich für dieses Projekt auf mich nahm.
Panettone nach einem meiner großen Lehrmeister: Marcel Ammon, Richemont, Luzern.
Wichtigstes und herausforderndstes Merkmal klassischen Panettones ist die Abwesenheit von Bäckerhefe. Wer sich diese Arbeit macht, sollte excellente Zutaten verarbeiten. Alles andere ist eine unschöne Art von Masochismus, der das Ergebnis gefährdet und den Selbsthass fördert. Oder Selbstbetrug.
Rezept:
Bevor hier jemand anfängt, Kulturen aufzufrischen: Rezept bis zum Ende durchlesen und die Zeiten inhalieren!
230g Grundsauer (Madre, heller, milder, fester Weizensauer) TA 150 wird je nach Aktivität 1-5 mal aufgefrischt.
710g Früchtemischung:
10g Zitronenpaste (dazu 1 aromatische Zitrone säubern, entkernen, mit der gleichen Menge Zucker aufwiegern und im Mixer schreddern)
350g Sultaninen
350g Orangeat (unbedingt vom guten!)
Vorteig:
230g Wasser
230g Grundsauer, im Wasser lösen
160g Zucker, im Wasser lösen
570g Weizenmehl, Tipo0, wichtig: extra kleberstark
ca. 2min ankneten
weiterkneten und
2x jeweils 70g Eigelb im Abstand von 1 bis 2min zufügen
nach 12min (Klebergerüst ist gut ausgebildet: Fenstertest)
180g weiche Butter stückchenweise zugeben
Teig auskneten
Teigtemperatur:27°C
Bei 27° 8 bis 10h Teigruhe (Teig verdreifacht sein Volumen in dieser Zeit)
Hauptteig:
(knapp 3500g für 6 bis 7 Formen)
170g Wasser
1500g Vorteig, im Wasser lösen
150g Zucker,
5g Flüssigmalz, aktiv,
60g Honig, hell,
1 ausgekratzte Vanillestange
430g Tipo 0, extra kleberstark
miteinander mischen
170g Eigelb nach 2min in 2 Intervallen (wie oben beschrieben) zugeben
Teig fast auskneten,
16g Salz
220g weiche Butter in Stückchen zugeben
kneten, bis der Teig völlig ausgeknetet ist.
710g Früchtemischung schonend untermischen
Teigtemperatur: 27°C, Teigruhe 45 bis 60min
Aufarbeiten:
Arbeitsfläche, Geräte sparsam mit geschmacksneutralem Öl bestreichen,
550g Teigstücke abstechen, leicht rund vorformen-
30min TeigruheTeiglinge locker rund formen und in Panettoneformen legen (
135mm Durchmesser, 95mm Höhe)
ca. 6h Stückgare bei 30°C
Backen:
Die gut entwickelten Teiglinge bei 190°C ca. 30min schwach ausbacken: Kerntemperatur max. 94°C, für Mutige: 92°C, bei manchem italoschweizer Bäcker wird der Panettone nicht ganz ausgebacken.
Damit dieses luftige Gebäck sein volles Volumen behält, wird es zum auskühlen kopfüber aufgehängt.
Schellis Urteil:
sucht euch einen Job, der Geld bringt und jemanden, der dieses Handwerk beherrscht.
Bezahlt ihn gut für seine Panettonekunst.
Oder werdet besessen, backt selbst und opfert Nächte des Lernens.
Aber geht nicht an der Erfahrung dieses Gebäcks vorbei. Es stammt aus einer anderen Welt-und wenn jemand der Meinung ist, sich mit euch darüber unterhalten zu müssen: die erste Frage lautet: hefefrei oder nicht? Erst wenn dieses Kriterium steht, hat man eine gemeinsame Basis.
Im Netz findet man unzählige Beiträge mit unsäglichen Behauptungen:: Panettone sei hocharomatish, typischerweise mit wenig Zucker, im Aussehen wunderbar und paradiesvogelartig verpackt.
Liest man das Rezept, interpretiert die beigefügten Bilder, kommt ein hefegetriebenes Gemansche daher, dem das 2,-Euro Discounterzeugs noch ebenbürtig ist.
Der Panettone hier ist etwas zu stark ausgebacken, 95°C Kerntemperatur- mein Espresso war mir einen Augenblick lang wichtiger.
Der Rest ist ok.
Zart, feucht, ganz leichte Milchsäurearomen (wichtig!), duftig, niemals aufdringlich. Gehört für mich zur Kategorie “Soulfood, aufwändig”.