Küchenqual & Baguette

Zum Küchenmonster mutiert, hab‘ ich incl. Studentenküchen über 12 verschiedene Küchen im eigenen Haushalt durch, an die 20 Herde mit Verstand (oder was davon übrig war…) ausprobiert und wundere mich inzwischen, warum das Angebot eines unabhängigen Beraters beim Kauf einer Küche fehlt.

Will jeder diese überall angebotene, forcierte Mainstream-Langeweile in seinen 4 Wänden stehen haben?

Mehr oder weniger cool, immer austauschbar, immer furchtbar praktisch, immer sind die Käufer irgendwie stolz auf diese Ego-Spiegel.

Und untermauern das mit von den Verkäufern eingebleuten Argumenten.

„Massive Bedienknebel aus Edelstahl“ oder „Landhausküche auf 7m2″….

Resultat: Passt wie der Porsche zum 70-jährigen.

Ich krieg‘ Pocken bei diesem Angebot.

Wer hat die Ziele einer solchen Planung vorgeschrieben?

Der Kunde?

kann ich mir nicht vorstellen.

Alternative:

Da, wo der Küchengeist seine Arbeits-Schwerpunkte legt, baue er Profi-Qualität ein.

Wenn häufig mehr als 7, 8 Gäste ohne Nervenzusammenbruch bekocht werden sollen, bietet sich dieser Schritt eh‘ an.

Backen-Kochen-Wursten…wenn es tatsächlich in erster Linie ums Aussehen der Küche geht, gebe ich mich geschlagen und verweise auf den konventionellen Weg.

Heute taste ich mich langsam an meine große Blamage 2013 heran…

Voller Überschwang und im Wissen, zu ein paar Auserwählten zu gehören, nahm ich vor einem 3/4 Jahr das Angebot zur Intensiv-Ausbildung in französischer Backkunst an.

Eine gemeinsame Fortbildung der Bundesakademie Weinheim mit dem Institut National de la Boulangerie Pâtisserie und dem Club Prosper Montagné.

Welch eine Selbstüberschätzung.

Nun gut.

Viel Feind, viel Ehr‘.

Also fangen wir an, zunächst mit einem Vortraining der Baguettebäckerei.

Nach der alten chinesischen Weisheit:

Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt…

Ein Rezept -im Original allerdings für Ciabatta- fasziniert mich schon länger:

http://deichrunner.typepad.com/mein_weblog/2008/08/ciabattaimmer-w.html

Hier wird die volle Mehlmenge im festen Vorteig über lange Zeit (Schelli zusätzlich:kühl) vergoren. Das ist der Punkt, der mich fesselt.

Dadurch entwickelt sich das maximal mögliche Aroma, mit 2 Hürden:

1. der Teig baut mit der Zeit sein Strukturgerüst ab. Steht er zu lange, wird unweigerlich Fladenbrot aus dem Endprodukt. Es gibt kein dem Hauptteig zugefügtes, frisches „Gerüst“-Mehl, das ihn retten könnte.

2. einem festen Vorteig Wasser zuzufügen, dass er zur homogenen, nicht überkneteten, seidigen Masse wird, ist unter Haushaltsbedingungen zumindest nervenaufreibend.

Zu Testzwecken hab‘ ich aus unseren Kursutensilien die Häussler entwendet. Damit funktioniert bei zunächst langsamem Eintröpfeln der „Hauptteig“-Flüssigkeit der Vorgang ohne größere Verzweiflungsattacken. Alternativ -für kleinere Teigmengen- verwende ich einen Braun- Multiquick Foodprozessor.

Für einen guten Ausbund und bessere Anfängertauglichkeit dient der hier beschriebene Weg über einen etwas festeren Teig:

TA 165.

Baguette aus einer Ciabatta-Idee

Menge: 7 Baguettes a 370g

Zutaten

VORTEIG (BIGA)

1300g Mehl 550
200g Hartweizendunst (oder -gries)
650g Wasser
10g Frisch-Hefe

HAUPTTEIG

2150g Vorteig (Biga)
15g Frisch-Hefe
325g Wasser
37g Salz

Zubereitung

Zutaten für Vorteig einigermaßen homogen verkneten, in einem geölten Gefäß abdecken, für ca. 18h bei ca.20° C (Schelli: 5°C/26h) stehen lassen.

Anschließend Hefe, Wasser, Salz auflösen und ganz langsam und nach und nach zum Teig geben und verkneten. Geduldsspiel.

Teig löst sich vom Schüsselrand, wenn er ausgeknetet ist.

Anschließend ca. 40-60 Min abgedeckt auf der bemehlten Arbeitsplatte gehen lassen, bis er gut aufgegangen ist.

Mit möglichst wenigen Handgriffen 370g-Teiglinge abstechen und nach Ciril Hitz/Mitch Stamm vorformen, gehen lassen, zum Baguette formen. Nach ca. 30min Naht suchen (wichtig!) entlang der Naht mit einer Rasierklinge auf etwa 45° entlang der Brotachse einschneiden und im auf 250° vorgeheizten Ofen mit reichlich Schwaden für ca. 20 min backen. Ich halte das Einschneiden für das Gelingen im Netz für etwas überbewertet, die Suche nach der Naht für eher unterbewertet. Deshalb hier kein weiterer Einschneidelehrgang.

Schellis Urteil:

Dieser Ausbund!

Für 10 cm2 davon könnte ich Streit anfangen. Das ist der Geschmack, wie ich ihn von guten Baguettes aus Frankreich kenne. Konzentriert auf wenige Quadratzentimeter.

Trotzdem: ich hab‘ immer noch Angst, nach Frankreich zu den Über-Bäckern zu fahren.

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