Meine Lieblingsbrote. Wenige Zutaten, etwas knowhow, etwas Praxiserfahrung und Durchhaltevermögen und schon entstehen Brote, deren großartiger Geschmack nur noch selten anzutreffen ist in Deutschland. Die Anmerkung mit dem Durchhaltevermögen meine ich durchaus ernst. Frei nach Bocuse: Es ist nicht wichtig, 25 verschiedene Gerichte auf den Tisch zu bringen, sondern zunächst ein gutes. Das erreiche ich, indem ich mich an einem Rezept verbeisse, bis ich wiederholbar mit dem Ergebnis zufrieden bin.
Bis ich mit dem Rezept spielen kann: Welche Veränderung hat welchen Einfluß?
Die Weizenteigführung I; indirekte Führung
Im weitesten Sinn: Wie gelangt der Teig zur optimalen Ofenreife?
Die wichtigsten Eigenschaften dabei sind:
-Teigfestigkeit (Wassergehalt);
-Temperatur;
-Zeit
a) Teigfestigkeit:
beginnen wir mit einer Teigausbeute (TA, hier auf den Mehlanteil bezogen) von 160, also auf 1kg Mehl 600g Wasser. Für mich das Standard-Verhältnis. Diese Teige sind recht einfach händelbar, weil sie noch eine eher feste Struktur haben, gehen gut auf, das resultierende Brot hat eine angenehm feuchte Krume, man kann sie freigeschoben oder in der Form backen…
b) Temperatur(Teigtemperatur):
halte ich für die unterschätzte Größe beim Brotbacken schlechthin. Die Gasentwicklung (vereinfacht für Stoffwechselrate) der Hefen verdoppelt sich ungefähr mit jeder Zunahme der Teigtemperatur um 5°C. Wenn also ein Teig bei 18°C (Zimmer)temperatur geführt wird, braucht er doppelt so lange wie ein Teig der bei 23°C (Zimmer)temperatur geführt wird oder sogar 4x länger gegenüber einem im Gärschrank bei 28°C geführten Teig! Hier stabile Bedingungen (wie sie der Bäcker in seiner Backstube selbstverständlich vorfindet) zu schaffen, bringt den Hobbybäcker schon nahe an reproduzierbare Ergebnisse.
c) Zeit:
Trennen wir zunächst die Vorgänge im Mehl-Wassergemisch von denen in den Hefezellen: die optimale Knetzeit (-energie) und das in der Internet-Brotbackwelt häufig strapazierte Dehnen und Falten (stretch and fold) dient der Vernetzung der Teigstrukturen, der Verteilung und Ausbildung der Poren, der Teigerwärmung bzw. dem Temperaturausgleich im Teig.
Die Arbeit der Hefen ist verantwortlich für die Gas- und Aromenbildung. Wenn man an einem eben bereiteten Vorteig (z.B. 5g Frischhefe; 250g Wasser, 250g Mehl) riecht, hat man einen breiten, mehligen, einfachen Geruch in der Nase, steht die Mischung jedoch abgedeckt 12h bei ca. 20°C, dann duftet sie komplex nach verschiedenen Ester/Säure/ Alkohol-Aromen. Genau die will ich in meinem Brot haben. Hier habe ich folgende Erfahrung gemacht: obwohl sehr häufig Bioware in meiner Küche anzutreffen ist: die von mir bislang verwendeten Biohefen entwickelten alle nicht die Aromen-Vielfalt und Intensität meiner Standard-Frischhefe. Schade.
An diese Stelle gehört vielleicht noch eine Anmerkung zur Funktion des Sauerstoffs im Teig: Sauerstoff ist erstmal nicht erwünscht, denn unter den hier gegebenen Bedingungen schaltet er den Stoffwechsel in den Hefen um. Vereinfacht erklärt, werden deutlich weniger Aromen und Gas produziert. In diesem Sinne dient das Dehnen und Falten nicht der Sauerstoffanreicherung im Teig sondern der Poren- und Strukturbildung.
Um die Geduld des Lesers nicht zu sehr zu strapazieren, geht’s nächste Woche mit der Feinjustierung weiter…