ob ich ein Kreisklassenspiel oder die Championsleague verfolge, fällt mir (als völlige Fußballnulpe) weniger an der Eleganz der Spielzüge/Bewegungen der Fußballer auf (die Kreisklasse dürfte auch mehr Wampe auf’s Feld bringen…) als vielmehr an dem Geschwafel des Kommentierenden (ich bin bekennender Liebhaber des Gerundivums/ der nd-Form).
Der Kreisklassenberichterstatter ist tatsächlich noch niveauloser.
Ich verzettele mich, Ihr kennt das.
Es soll um die Urteilskraft in unbekannten Gefilden gehen.
Letztens in einer Finkenwerder Bäckerei: Baguettebäckerei. 50 Dinger hab‘ ich frisch ausgefahren-welch‘ ein Duft im Auto!
Am nächsten Tag rief der Chef einem Gesellen zu, er möge noch zusätzlich Baguette-Teig kneten. Der faule Bursche nutzte das Mehl aus dem Hahn (deutsches normalo-Weizen-Mehl, backstark!, Kosten: keine 30ct/kg) Dafür sparte er sich die Minute 30 in den Keller, den 25kg-Sack T65, label rouge auf die Schulter…
Diese deutschen „Baguettes“ hatte ich dann /nicht wissend/einen Tag später (nach der langen, kühlen Teigführung) im Auto.
Zuerst verwirrt- das Farbspiel war mir unbekanntbekannt: nicht vorhanden.
Das waren nicht meine frz. Baguettes.
Der Geruch: eher flach, nicht gewohnt blumig.
Ausbund:erspart mir die Erinnerung.
Die Verwandtschaft zum gutdeutschen Kaviarbrot/ Stangenweißbrot trieb mir die Tränen der Enttäuschung in die Augen.
Ich hatte einiges an Herzblut/Energie/Zeit/Wissen ziemlich selbstlos in das Baguette-Training in der Bäckerei investiert und wollte französische Premium-Baguettes zur Freundin bringen.
Die Deutschmehlversionsgeschichte ist rekonstruiert und war für mich im ersten Herzschmerz noch nicht erkannt, wurde von Chef aller Bäckerreusen im Nachhinein nicht dementiert.
Die Lieferung meckerte meine Freundin nicht an. Wahrscheinlich hat die gelieferte C-Qualität niemand in der Schärfe erkannt.
Auf diese Weise schafft es alpenlidinydl (steht einen beliebigen Discounter) zu attraktiven Preisen bei nur noch sättigender Ware. Und der Deutsche mit abtrainiertem Geschmackssinn und wenig Geld für sein Lebensmittel rennt hin.
Die Chance zum individuellen Brot mit Charakter und sauberem Geschmack ist vertan.
Profit: Weder beim Zulieferer/Produzenten noch beim Verbraucher.
Ich bin desillusioniert über die Blödheit und den fehlenden Stolz des deutschen Handwerkers, Charakterzüge, mit denen er sich selbst die Zukunft verbaut.
Trainiert Nase/Auge/Zunge!
Traut dem eigenen Geschmack!
Stellt (auch unangenehme) Fragen! Dem vertrauten Bäcker/Metzger.
Das geht verbindlich/diplomatisch.
Es wirkt qualitätssteigernd. Nicht morgen, sicher aber übermorgen.
Und es hilft Eurem Bäcker, zu überleben.
Rezept: Paderborner mit Weizensauerteig
1.Dem besseren Boulangeristen (frz. Bäcker) ist der Weizensauer das, was dem besseren deutschen Bäcker sein Roggensauer.
2. In Weinheim schwärmte ein Dozent letztens über weizensauer geführte Roggenbrote.
3.Ich mißtraue immer mal meinem Geschmack.
Zutaten:
550g Weizensauer „Franzi“, hochaktiv.
300g Weizenmehl 1050
400g Roggenmehl 1370
440g Wasser, 32°C
10g Hefe, frisch
22g Salz
Verarbeitung:
Alles 12min langsam verkneten
15min Zwischengare (abgedeckt stehen lassen)
2 Brote formen,
50 bis 90min im Gärkorb warm zur Endgare stellen
bei 250°C mit Beschwadung ca.45 min Backen.
Schellis Urteil:
sehr mildes, dennoch duftig aromatisches Roggensauerteigbrot.
Guter Trieb.
Im Handwerk kein wesentlicher Unterschied zum Roggensauer.
Für mich kitzelt der Weizensauer jedoch nicht die komplexen Aromen meines Roggensauers (Monheimer Salzsauer als meinem Liebling) heraus.
Ein Versuch wäre noch, den Weizensaueranteil zu erhöhen.
Bis dahin gilt:
Paderborner lieber mit einer Roggensauerteigführung.