Baguette: Grundlagen I

Nach dem 150. selbstgeschobenen Baguette gibt’s hier eine Zusammenfassung des bislang Gelernten in mehreren Teilen.

Meine Eisenschwein-Tour hat begonnen:

Die ersten öffentlichen Niederlagen als Baguette-Möchtegern-Artisan erlitten, findet Ihr-bevor mich die echte Depression ereilt- ein paar wesentliche Erkenntnisse.

Den ersten von 4 offiziellen Teilen zum Bäcker in traditioneller französischer Backkunst habe ich in Schweiß und Blut überstanden.

Zwei (incl. Abschlußprüfung) werden an der Akademie für das Deutsche Bäckerhandwerk in Weinheim abgehalten.

Weil ich immer wieder gefragt werde: Dies ist eine Aus- und Weiterbildungsstätte für deutsche Bäcker und Konditoren. Mit hohem Anspruch.

Und wenn Du bei dem Bäcker Deiner Wahl ein Zertifikat aus Weinheim hängen siehst, kann er kein schlechter sein.

Zwei weitere Teile finden in Frankreich statt. Dabei wird größter Wert auf Handwerk und Tradition gelegt.

Die Boulangerie, in der das Praktikum (Einzeltraining: Mann gegen Mann) stattfindet, gehört dem Club Prosper Montagne, Paris an.

Der hat recht orthodoxe Vorstellungen von frz. Backkunst.

Mit anderen Worten: Ich werde leiden.

Und erleuchtet heraustreten.

Zum Baguette:

Das gibt es nicht.

Jedenfalls nicht einheitlich.

Unsere Referenten aus Frankreich, darunter Monsieur „Baguette“ Jean Claude unterteilen folgendermaßen:

Traditionelles französisches Baguette:

Mehl ohne Backmittel (insbesondere keine Ascorbinsäure), gern mit besonderen Qualitätsmerkmalen: Label Rouge, bei uns Typ 630

Schluß oben

ohne Einschnitte!, dieses Baguette reißt einigermaßen unkontrolliert am Schluß auf.

große Porung

auf Stein gebacken

47-50cm lang, Teigeinwaage ca. 350g, Verkaufsgewicht ca. 250g.

einfaches französisches Baguette (Standardbaguette):

Mehl meist Typ 550, häufig mit Backmittelzutaten (meist Ascorbinsäure)

Schluß unten

mehrere definierte Einschnitte fast in Längsachse, 1/3 überlappend, Schnittführung 45° zur Oberfläche

Porung egal.

andere Baguettähnliche:

zb. mit Poolish oder nicht-Weizen-Mehl-Anteile.

gelten als Speziallösungen, fallen in Frankreich mengenmäßig kaum auf.

Zu Beginn dieser Reihe nun das für mich einfachste Rezept mit Geschmack.

Der Anspruch bei der Umsetzung von Baguette-Rezepten liegt für mich im ersten Schritt nicht in der Wahl einer besonderen Teigführung oder -zusammensetzung, sondern in den handwerklichen Kniffen. Die wiederum sind m.E. aus den mir bekannten Youtube-Videos nur schwer erlernbar. Eine große Hilfe waren deshalb die allgegenwärtige Kompetenz im Kurs und das anschliessende Training bei einem befreundeten Bäckermeister.

Traditionelles französisches Baguette mit früher Formgebung und Gärverzögerung

900g Wasser, handwarm
10g Hefe
1500g Mehl, Typ 630, ohne Ascorbinsäure (550er konventionell geht auch, bei mir: frz. Baguette-Mehl „Campaillette“)
37g Salz

Alle Zutaten so verkneten, dass sich eine Teigtemperatur von 24 bis 25°C ergibt.

Temperatursteuerung:

1. über die Schüttwassertemperatur

2. über den Schnellknetgang des Kneters: Temperatuererhöhung.

Häussler: 2min langsam, 4 min schnell. Andere Haushaltskneter brauchen deutlich länger.

Wer mit der Hand knetet, sollte ein Schweissband aufsetzen, um den Teig nicht mit zusätzlichem Salzwasser zu verhunzen.

15 min stehen lassen

Teiglinge abwiegen: 350g: dies ist kein Patchworkkurs. in möglichst wenigen Teigstücken, Ziel:tendentiell quadratisch

locker einrollen, dass eine schöne Oberfläche entsteht.

Dies ist die spätere Baguetteoberfläche.

Schon hier sorgsam zu arbeiten zahlt sich aus.

20min Teigruhe.

Formgebung z.B. nach Ciril Hirtz ab 2:30.

Also: gleichmäßig langrollen, auf ca. 50cm. Oder Backsteinbreite.

Die Baguettes werden in ein bemehltes Leinentuch geschlagen, bedeckt und bei 4 bis 5°C (wichtig!) über 18 bis 22h geführt.

Teiglinge ungefähr 2h bei 22°C stehen lassen

Backofen auf 250°C vorheizen

Brote mit dem Schluß nach oben einschiessen, evtl. für einen schönen Ausbund und größeres Volumen direkt vor dem Einschiessen den Schluß unterstützend etwas anritzen (mit einer Rasierklinge), Schwaden!

ca. 20min backen.

Um die Auswirkungen eines guten und eines weniger guten Einschnittes zu demonstrieren, hab‘ ich eine Bilderfolge eingestellt. Dabei waren alle Bedingungen -bis auf die Schnittführung (in diesem Fall Schluß oben gg Schluß unten)- identisch.

Großartiges Backwerk!

blumig duftende, feuchte Krume, feinknusprige Kruste, schöner Ausbund, hintergründige Säure, lang anhaltende Frische.

Ein Riesen-Dankeschön an dieser Stelle an Dietmar, den Wahnsinns-Bäcker!
Ohne ihn wäre ich mit meinem Baguette-Handwerk lange nicht so weit.
Das Baguette nach diesem Rezept soll deshalb ab sofort Dietmar heißen.

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